Klaus-Peter Gilles im Interview Bonner Stadtrat ringt um Lösung für Beethovenhalle

Bonn · Klaus-Peter Gilles hat sich maßgeblich dafür eingesetzt, dass bei der Beethovenhalle eine Komplettsanierung plus Anbau beschlossen wurde. Jetzt ringt der CDU-Politiker und Bauingenieur mit den Ratskollegen um eine Lösung, wie es nach der Kostenexplosion auf der Baustelle weitergehen soll.

Sie waren vehement für die Komplettsanierung. Wie viel Kritik hören Sie dazu aus der Bürgerschaft? Wie viel aus den eigenen Reihen?

Klaus-Peter Gilles: Ich höre keine Kritik zum Umfang der Sanierung. Sie ist auch in der Ratskoalition nicht umstritten. Es gab in meiner Fraktion nur eine Stimme, die sich dagegen ausgesprochen hatte, weil sie den Abriss wollte. Ich höre aber viel Kritik zum Umgang mit Geld bei öffentlichen Bauprojekten. Das kann ich verstehen.

Wäre es besser gewesen, die Beethovenhalle abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen?

Gilles: Wir haben über den Abriss nachgedacht, als wir über das Festspielhaus diskutiert haben. Doch dafür hätte man einen breiten Schulterschluss der Bonner gebraucht. Den gab es nicht. Aus heutiger Sicht würde ich mir – auch vor meinem fachlichen Hintergrund – sehr wohl überlegen, ob wir ein Gebäude im Bestand sanieren. Man hätte den Mut haben müssen, über Abriss und Neubau der Beethovenhalle ernsthaft nachzudenken.

Wenn der Rat die kleine Sanierungsvariante beschlossen hätte: Wäre die Maßnahme heute bereits abgeschlossen?

Gilles: Das ist Spekulation. Aber ich nenne ein Beispiel dafür, dass es auch bei der kleinen Lösung sicher zu Bauverzögerungen und Kostensteigerungen gekommen wäre. So hat man erst bei Beginn der Sanierung der Lüftungsanlage festgestellt, dass sie mit Asbest belastet ist. Das hätte man schon bei der Bauzustandserfassung erkennen müssen. Ebenso hat man jetzt erst festgesellt, dass das Dach die Last der neuen Lüftungsanlage nicht tragen kann, die ja auch bei der kleinen Variante erneuert worden wäre. Das macht mich fassungslos.

War es nicht abwegig zu glauben, ein 60 Jahre altes Baudenkmal wie die Beethovenhalle, die auf einem Trümmerfeld errichtet wurde, in zwei Jahren sanieren zu können?

Gilles: Die Planung hat 2013 begonnen. 2014 wurde der Architekt ausgewählt, Ende 2015 haben wir den Grundsatzbeschluss gefasst. Ich glaube, man kann nicht sagen, dass zu wenig Zeit war, das Projekt vorzubereiten. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Projektverantwortlichen und die Verwaltung die Zeit richtig genutzt haben. Die Bauzeit war sicher ambitioniert. Aber klar war, dass man alles versuchen wollte, bis 2020 zum Beethoven-Jubiläum fertig zu werden. Der Bauzeitenplan wird nicht von Laien, sondern von Baufachleuten erstellt. Darauf mussten wir uns als Politiker verlassen können.

Aber Sie sind auch Baufachmann und haben schlechte Erfahrungen mit dem WCCB gemacht...

Gilles: Es kann niemand erwarten, dass ich als Kommunalpolitiker hingehe, mich ins Baubüro setze und die Festlegung einzelner Vorgehensweisen diskutiere. Ich bringe mich im Rat aufgrund meines fachlichen Hintergrunds mehr in diesen Fragen ein, als es die meisten anderen können. Aber ich steige nicht ins operative Geschäft ein!

Das Projekt wurde ohne fertige Ausführungspläne begonnen. Hätte Sie das als Bauingenieur nicht stutzig machen müssen?

Gilles: Es ist durchaus üblich, mit einem Bau zu beginnen, ohne dass alle Ausführungspläne bis ins Detail vorliegen. Dafür gibt es genügend Beispiele. Deshalb kann man hier auch nicht ohne weitere Prüfung von vornherein von einem Fehler reden.

Das Fehlen von Ausführungsplänen hat sich bei der Beethovenhalle aber als Kernproblem erwiesen...

Gilles: In den Berichten steht, ein Kernproblem ist die schleppende Leistungserbringung des Objektplaners. Ich kann daraus nur schlussfolgern, der Architekt hat seine Leistungen zeitlich nicht richtig erbracht. Egal, welche Art von Leistung das war.

Wo sehen Sie die wesentlichen Ursachen dafür, dass das Projekt Beethovenhalle zu scheitern droht?

Gilles: Ich habe erhebliche Zweifel, dass der erste und wichtigste Schritt beim Bauen im Bestand – die Bauzustandserfassung – so sorgfältig erfolgt ist, wie man es erwarten muss. Die Erfassung ist Aufgabe des Architekten. Außerdem gibt es meines Wissens erhebliche Mängel bei der Baustellenpräsenz. Dafür hat der Architekt zu sorgen. Das ist ganz sicher nicht die Aufgabe von Stadtdirektor Wolfgang Fuchs als Projektleiter, wenn Sie darauf hinaus wollen.

Wer trägt die Verantwortung für das Desaster?

Gilles: Ich gehe davon aus, dass ein großer Schaden entstanden ist und dass zu klären ist, wer für diesen Schaden aufzukommen hat. Ich werde jetzt aber öffentlich keine Schuldzuweisungen machen. Es gibt verschiedene Projektbeteiligte, und in diesem Zusammenspiel sind massive Probleme aufgetaucht, die man dem Bauherrn, also der Stadt Bonn, mit Sicherheit nicht allein anlasten kann.

Inwieweit ist das Städtische Gebäudemanagement als Bauherr seiner Verantwortung gerecht geworden?

Gilles: Sie wissen, dass wir als Koalition das SGB durchaus kritisch sehen. Aus eigener Kraft kann es keine Großprojekte durchführen. Deshalb wurde ja hier auch ein Projektsteuerer beauftragt. Die Frage, ob die Projektorganisation richtig war, ob alle Schnittstellen richtig definiert waren, ob der Informationsfluss richtig war, das muss jetzt geklärt werden.

Wäre jetzt der richtige Moment für einen Baustopp?

Gilles: Diese Frage hat sich uns schon im vorigen Jahr gestellt. Auch in meiner eigenen Fraktion kam die Meinung auf, dass ein Weiterbau nicht zu verantworten sei. Dann haben wir die Fakten sehr genau recherchiert; ich bin selbst auf der Baustelle unterwegs gewesen, um mir ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Wir sind nach vielen Diskussionen und Gesprächen mit Bauexperten zum Schluss gekommen, dass ein Baustopp nicht richtig ist, weil es für die Stadt noch teurer werden würde.

Die Kosten liegen auch wegen des Denkmalschutzes hoch. Hätten sich die Denkmalschützer kompromissbereiter zeigen müssen?

Gilles: Eindeutig ja. Wir haben im Rat auch beschlossen, dass die denkmalbedingten Kosten gesondert ausgewiesen werden sollen. Das sind sie aber bisher nicht.

Die spannende Frage ist, wie es jetzt weitergeht. Sollte die Stadt Bonn dem Architekten kündigen?

Gilles: Der Architekt ist verpflichtet, den Bauherrn auf alle Risiken hinzuweisen. Ich gehe davon aus, dass die Aussagen der Verwaltung richtig sind, sie habe alle Unterlagen zusammengestellt. Auch die vorliegenden Unterlagen zu den Baugrundverhältnissen. Aber wir brauchen jetzt erst einmal eine umfassende Analyse der Probleme, dann müssen wir uns Handlungsoptionen überlegen.

Die Frage zum Architekten haben Sie nicht beantwortet. Immerhin hat laut einem vertraulichen Papier der Projektsteuerer den Planer für das Baustellen-Chaos verantwortlich gemacht...

Gilles: Das Papier kannte ich nicht. Davon habe ich erst aus Ihrer Zeitung erfahren. Die Verwaltung ist aufgefordert, uns in einigen Wochen genau zu sagen, wie sie die Probleme lösen möchte. Vielleicht kommt sie am Ende zu der Entscheidung, sich vom Architekten zu trennen. Oder auch nicht.

Die Ratsopposition verlangt, Oberbürgermeister Sridharan solle Projektleiter werden. Sie auch?

Gilles: Der OB hat uns zugesagt, diese Aufgabe während der Abwesenheit von Herrn Fuchs zu übernehmen (der Stadtdirektor fällt wegen einer Operation voraussichtlich für sechs Wochen aus; Anm. d. Red.). Die Gesamtverantwortung als Verwaltungschef hat der OB sowieso.

Das WCCB belastet den klammen Stadthaushalt mit neun Millionen Euro im Jahr. Wie viel zusätzlich durch die Beethovenhalle und andere Bauprojekte wie die Oper dazu kommen wird, weiß niemand. Können Sie ausschließen, dass nach der Kommunalwahl 2020 die Bürger die Löcher im Etat über Steuererhöhungen stopfen müssen?

Gilles: Für mich gilt: Steuererhöhungen sind die Ultima Ratio. Ich kann sie nie ausschließen. Wir haben viele Risiken. Nicht nur die Beethovenhalle oder die Oper. Wir wollen in den nächsten Jahren massiv in den öffentlichen Nahverkehr investieren. Dazu kommt der Ausbau der E-Mobilität. Die Frage ist, was heißt das für die kommunalen Haushalte? Mein Lösungsansatz ist vor allem, dass Bund und Land die kommunale Ebene stärker stützen müssen. Wir stünden mit unserem Haushalt besser da, wenn nicht ein wesentlicher Teil der Kosten für die Flüchtlingsaufgaben an den Kommunen hängengeblieben wäre. Diese Diskussion müssen wir mit Bund und Land führen.

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